Sinti und Roma: Erinnerung bedeutet Verantwortung – Kampf dem Antiziganismus

Heute jährt sich die »Liquidation des Zigeunerfamilienlagers« in Auschwitz-Birkenau zum 72. Mal. Dazu erklärt Volker Beck, Sprecher für Migrationspolitik:

Erinnerung bedeutet auch Verantwortung in der Gegenwart. Wenn wir heute daran erinnern, dass in Nacht auf den 3. August 1944 die fast 3.000 in Auschwitz-Birkenau verbliebenen Sinti und Roma ermordet wurden, ist das auch Auftrag und Pflicht zum Kampf gegen Antiziganismus heute. Rassistische Vorurteile gegenüber Sinti und Roma gefährden bis heute das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, daran etwas zu ändern. Dafür sind Politik und Verwaltung, Schulen und Medien in der Pflicht. Wir müssen Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen des Antiziganismus systematisch untersuchen und Wissen über Sinti und Roma vermitteln.

Gerade auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft haben wir es mit einem massiven Akzeptanzproblem zu tun. Gesundheitsversorgung, Sprachkurse, Teilhabe an den Arbeits- und Wohnungsmärkten, Aufnahme schulpflichtiger Kinder sind die Herausforderungen, die es bei zu uns geflüchteten Roma anzugehen gilt. Die Bundesregierung muss die Integrationsangebote der Kommunen konsequent unterstützen und Kommunen müssen diese auch anbieten. Und Deutschland und Europa muss sich um die Situation der Roma in den Ländern aktiv kümmern, aus denen die Roma zu uns fliehen. Mit der zynischen Abschiebelogik bekommt man das Elend der Roma zwar aus den Augen, aber eben nicht aus der Welt. Für das europäische Volk der Roma haben die Völker Europas eine Verantwortung. Die nehmen sie bisher aber nicht wahr.

Deshalb haben wir Grünen, genauso wie der Zentralrat der Sinti und Roma, die Einsetzung eines unabhängigen Expertenkreises aus WissenschaftlerInnen und PraktikerInnen gefordert. Dieser soll einen Bericht zum Antiziganismus gegen autochthone und allochthone Sinti und Roma in Deutschland vorlegen. Damit soll eine Bestandsaufnahme der Entstehungsbedingungen und Erscheinungsformen des Antiziganismus in Deutschland und die Folgen des Antiziganismus in den Kernbereichen Wohnen, Bildung, Arbeit und Gesundheit herausgearbeitet werden. Außerdem sollen so Empfehlungen zur Entwicklung sowie Weiterentwicklung von Programmen zur Antiziganismusbekämpfung erarbeitet werden. Dafür setzen wir uns mit einem Antrag im Bundestag ein. dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/019/1801967.pdf

Leider verweigern die Koalitionsfraktionen uns seit einem Jahr ein Berichterstattergespräch zu diesem Thema. Wir sind sauer, denn täglich leiden Menschen unter den Folgen des Antiziganismus. Wer heute der Opfer erinnert, ohne in der Gegenwart zu handeln, hat aus der Geschichte nichts gelernt.

Zur Info: Die Stiftung Denkmal lädt heute zu »Mare Manuschenge – Unseren Menschen« – Erinnern an die Ermordung der letzten Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau 1944: www.stiftung-denkmal.de/startseite/neues/detail/mare-manuschenge-unseren-menschen-erinnern-an-die-ermordung-der-letzten-sinti-und-roma-i.html


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