Sichere Herkunftsstaaten: Menschenrechtliche Situation in Serbien und Bosnien weiterhin bedenklich

Im Herbst 2014 wurden Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmt. Mit der Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten gehen Beschränkungen von Verfahrensrechten sowie wirtschaftlichen und sozialen Rechten im Asylverfahren einher. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Kleine Anfragen zur menschenrechtlichen Lage in den drei Staaten eingebracht. Antworten auf die Kleinen Anfragen zur menschenrechtlichen Lage in Serbien und in Bosnien und Herzegowina liegen nun vor. Die Kleine Anfrage zur menschenrechtlichen Lage in Mazedonien ist hier abrufbar.

Zu der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Serbien erklären Volker Beck, Sprecher für Migrationspolitik, und Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik:

„Die Einstufung Serbiens als sicherer Herkunftsstaat ist und bleibt das falsche Signal. Die Menschenrechtslage vor Ort ist nach wie vor prekär. Nach Angaben der Bundesregierung kam es im laufenden Jahr zu 37 Angriffen auf Journalisten. Ob das für die Täter strafrechtliche Konsequenzen hatte, weiß die Bundesregierung nicht (Antwort auf Frage 54). Die Bedingungen für die volle Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit sind laut EU-Länderbericht nicht gegeben (Antwort auf Frage 55). Schwule und Lesben müssen gewalttätige Übergriffe befürchten und leiden unter einem ablehnenden gesellschaftlichen Klima, das sich im Inhalt mancher Schulbücher niederschlägt (Antwort auf Fragen 30-35). Roma haben deutlich geringere Bildungschancen. Das trifft insbesondere Mädchen, von denen nur 15 Prozent eine weiterführende Schule besuchen (Antwort auf Frage 45j). Nach EU-Maßstäben liegt Serbien bei der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit weit hinten (Antwort auf Frage 24). Der erstarkende Antisemitismus in vielen gesellschaftlichen Bereichen ist zudem Anlass zu großer Sorge (Antwort auf Frage 9).“

Zu der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Bosnien und Herzegowina erklären Volker Beck und Luise Amtsberg:

„Bosnien und Herzegowina muss von der Liste der sicheren Herkunftsstaaten genommen werden. Bei aller Wertschätzung für die Leistungen des bosnischen Staates in den letzten Jahren: Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten ist kein Instrument der Außen- und Entwicklungspolitik, mit dem positive Entwicklungen honoriert werden können, sondern eine erhebliche Beschränkung des individuellen Grundrechts auf Asyl. Unsere Anfrage ergibt: In vielerlei Hinsicht ist der bosnische Staat nicht in der Lage, Roma und andere Minderheiten vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, die in der Zusammenschau so schwerwiegend sind, dass ihnen Verfolgungscharakter zukommt. Wie sonst soll man „körperliche Misshandlungen von Roma und anderen Minderheiten und Randgruppen bei polizeilichen Verhören, Festnahmen oder in Gefängnissen“ (S. 16) bezeichnen? Was sonst soll es sein, wenn der Zugang zur Gesundheitsvorsorge und zur Krankenversicherung für viele Roma illusorisch bleibt (S. 16) und ein Drittel der schulpflichtigen Kinder der Gemeinschaft der Roma keine Schule besucht, weil sie weiterhin diskriminiert und ausgegrenzt werden, auch von Seiten der Schulen (S. 18)? Ein Staat, in dem auch nur einer Gruppe Verfolgung droht, kann kein sicherer Herkunftsstaat sein. Das ergibt sich klar und eindeutig aus dem Grundgesetz und dem Recht der Europäischen Union und wurde so auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.“

Ergänzend sei auf die von der Bundesregierung lediglich beiläufig thematisierten Probleme bei der Wahrnehmung sozialer und wirtschaftlicher Rechte durch „unregistrierte“ Roma in Serbien hingewiesen. Trotz einiger Fortschritte werden die Geburten von Roma-Kindern in einem nicht unerheblichen Umfang nach wie vor nicht registriert, sodass ihr Zugang zu staatlichen Leistungen mit erheblichen Problemen konfrontiert ist. Dies betrifft in besonderem Maße Roma-Kinder, deren Eltern während des Krieges aus dem Kosovo nach Serbien geflohen sind und die noch heute in informellen Siedlungen bzw. Slums leben. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der NGO „Praxis“ und in einem Bericht des UNHCR.


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