Das Handeln der Bundesregierung in Israel und den palästinensischen Gebieten wirkt prinzipienlos und kopflos

Einerseits wird der Austausch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren als wichtig angesehen. Andererseits zeigt eine Aufstellung der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von der Bundesregierung bei offiziellen Besuchen in Israel getroffen wurden eine sehr einseitige Perspektive auf diese so vielfältige gesellschaftliche Landschaft.

Damit setzt man sich nicht mit den unterschiedlichen Facetten eines Landes auseinander, sondern pflegt den Austausch nur mit einem kleinen Spektrum. Und Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der palästinensischen Zivilgesellschaft, die Missstände der Palästinensischen Behörde anprangern, finden hingegen praktisch gar nicht statt. Ein merkwürdiger Befund.

Einerseits will die Bundesregierung den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und Transparenz in den palästinensischen Gebieten fördern. Andererseits scheint sie keine Notwendigkeit darin zu sehen, Korruption auch öffentlich anzuprangern und den Verantwortlichen in der palästinensischen Führung  mit Konsequenzen zu drohen. Sie sieht das Übel der Korruption sowie demokratischer und rechtsstaatlicher Defizite vor allem in der zu israelfreundlichen Wahrnehmung der Palästinensischen Behörde (PA) und den unzureichenden Fortschritten im Friedensprozess, wofür die Bundesregierung auch vor allem Israel verantwortlich macht, begründet. So werden PA und PLO ohne Not aus ihrer politischen Verantwortung entlassen und Kritik erspart.

Einerseits zählen die palästinensischen Gebiete mit 423 $ / Kopf zu den größten Empfängern deutscher Entwicklungszusammenarbeit (Vergleich: Südsudan 135 $ / Kopf, Malawi 60 $ / Kopf, Kosovo 292 $ / Kopf) und die Bundesregierung übernimmt in der Projektzusammenarbeit in großem Maße Verantwortung für die Art des Aufbaus eines funktionierenden Staats.

Andererseits droht sie keine Konsequenzen an, wenn so genannte Märtyrerrenten weiterhin aus dem Haushalt der Palästinensischen Behörde an Hinterbliebene von Terroristinnen und Terroristen gezahlt werden, immerhin 172,8 Millionen US-$ allein 2016. Noch am 1. September

2016 kündigte Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer an, diesen Missstand aufzugreifen, wenn sich bestätigen sollte, dass die Zahlungen aus dem Haushalt der Palästinensischen Behörde stammen.

Besonders beschämt, dass die Bundesregierung weitestgehend zur angespannten Lage von Christinnen und Christen in den palästinensischen Gebieten schweigt und stattdessen über eine Frage, die von den Fragestellern gar nicht gestellt wurde, mutmaßt, nämlich wieviele israelische Christen durch die Siedlungen in den besetzten Gebieten leben würden. An Israel kann es nicht liegen: im Staatsgebiet Israels nimmt die Zahl der Christen nämlich zu.

Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung. Indem man der Palästinensischen Behörde alle Verantwortung abnimmt, wird man keine Veränderungen herbeiführen. Deutschland muss seine Verantwortung wahrnehmen und mit Konsequenzen drohen, wenn eigene Prinzipien verletzt werden. Alles andere zeugt von Kopf- und Planlosigkeit.

 

Hier finden Sie einen Artikel in der WELT zum Thema.

 


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