„Ein Signal der Völkerfreundschaft setzen“

Bundesarchiv, B 285 Bild-04413 / Stanislaw Mucha / CC-BY-SA

Bundesarchiv, B 285 Bild-04413 / Stanislaw Mucha / CC-BY-SA

Am 27. Januar 2015, dem 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch die Rote Armee, erschien folgender Gastbeitrag im Kölner Stadtanzeiger:

Ein Signal der Völkerfreundschaft setzen

Die sowjetischen Kriegsgefangenen erlebten ein schreckliches Schicksal. Sie sollten als Verfolgte des NS-Regimes anerkannt und entschädigt werden

Von Volker Beck

Wenn wir heute dem 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz gedenken, müssen wir auch der Befreiern gedenken und ihnen danken: den Soldaten der Roten Armee. Gleichermaßen wäre es an der Zeit, dass die Bundesrepublik Deutschland die ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen als Verfolgte des NS-Regimes anerkennt und ihnen – zumindest symbolisch – eine Art „Entschädigung“ zuspricht. Letzte Schätzungen gingen davon aus, dass nur noch etwa 4000 von ihnen am Leben sind.

Das schreckliche Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen ist immer noch ein weitgehend blinder Fleck in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik Deutschland. Seit Hitlers Überfall Hitlers auf die Sowjetunion im Juni 1941 hinterließen die deutschen Truppen auf ihrem Feldzug nichts als Mord und Elend. Besonders erbarmungslos gingen sie mit den 4,5 bis sechs Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen um. Von ihnen starben bis 1945 mehr als 60 Prozent, zwei Millionen bereits in den ersten Kriegsmonaten an Hunger, Seuchen und Erfrierungen.

Tod und Vernichtung in den „Russenlagern“, mit KZs durchaus vergleichbar, waren vom NS-Regime gewollt. Gefangene, genauso wie die zivilen sowjetischen Zwangsarbeiter, galten als Untermenschen“. Während bei den Kriegsgefangenen der Westalliierten die Mindeststandards der Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen beachtet wurden, wurde dieser Schutz durch Sonderbefehle für die sowjetischen Kriegsgefangenen außer Kraft gesetzt.

Bis heute leiden die Überlebenden unter den gesundheitlichen, sozialen und moralischen Folgen. Ihr Leid endete nicht 1945: Nach Rückkehr in die Sowjetunion wurden sie unter Stalin der Kollaboration verdächtigt. 13 Prozent kamen in Lagerhaft, viele in „Arbeitsbataillone“. Sie wurden diskriminiert und erst 1995, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, vollständig rehabilitiert.

Die Zeit läuft ab, und es wäre beschämend und traurig, würde sich der Bundestag weiter verweigern, das schwere Unrecht, das an den sowjetischen Kriegsgefangenen begangen wurde, ausdrücklich als nationalsozialistisches Unrecht anzuerkennen.

Eine solche Geste wäre auch ein starkes Signal der historischen Verantwortung und der Völkerfreundschaft gegenüber den Völkern Russlands, Weißrusslands und der Ukraine. Dadurch würde unterstrichen, dass die Kritik an Putins völkerrechtswidriger Politik gegenüber der Ukraine nichts an unserer Dankbarkeit gegenüber allen Völkern der ehemaligen Sowjetunion für die Befreiung vom NS-Terror ändern wird.


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