Rede zur weltweiten Lage der Religions- und Glaubensfreiheit

Am 18.6.2015 wurde im Parlament der Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Glaubensfreiheit beraten.

Hier finden Sie meine Rede zum Anhören und Nachlesen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Auch ich möchte mit einem Dank beginnen. Ich bedanke mich bei den Koalitionsabgeordneten, insbesondere bei Kerstin Griese und Franz Josef Jung, dass sie meinen Vorschlag aufgegriffen haben, die Initiative für einen Bericht zur weltweiten Lage der Religions- und Glaubensfreiheit zu ergreifen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

In den Vereinigten Staaten von Amerika wird zu diesem Thema regelmäßig ein Bericht erstellt, den ich für eine gute Grundlage zur Versachlichung der Debatte halte. Ich hoffe, dass der im nächsten Jahr vorliegende Bericht der erste Schritt dahin ist, dass Deutschland diesem Beispiel folgt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Religionsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht. Kerstin, du hast es gesagt: Religionsfreiheit ist immer die Freiheit der anderen, die respektiert werden muss. Der Sinn von Religionspolitik ist Religionsfreiheit. Gleichzeitig wissen wir, dass auf dieser Welt viele religiöse Minderheiten verfolgt werden und auch Minderheiten innerhalb der Mehrheitsreligionen – oftmals mit anderen Auslegungen, anderen Praktiken, anderen Obedienzen – Gefahr laufen, verfolgt zu werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns dieses Themas intensiver annehmen.

Mir war es wichtig, im Antrag deutlich zu machen, dass es um alle drei Dimensionen der Religionsfreiheit geht: die individuelle Religionsfreiheit, seinem Glauben gemäß zu leben, sich zu ihm zu bekennen, den Praktiken seiner Religion nachzugehen, die kollektive Religionsfreiheit, als Glaubensgemeinschaft religiöse Gebäude zu errichten, zu missionieren, sich in der Zivilgesellschaft zu artikulieren, und die negative Glaubensfreiheit, also die Freiheit, nicht von den Glaubensvorstellungen anderer in seinem Leben bedrängt, verfolgt oder schikaniert zu werden.

Ich glaube, wenn wir es richtig angehen und diese Debatte nicht nur unter dem Rubrum der Verfolgung von Christen führen, sondern ernsthaft auf das Recht auf Glaubensfreiheit von Christen, Muslimen, Hindus, Bahai und anderen Wert legen, dann könnte das außenpolitisch vielleicht zu einer Brücke zwischen den Kulturen im Dialog über Menschenrechte werden. Nicht jede Religion ist irgendwo auf der Welt Mehrheitsreligion. Aber jede Religion ist irgendwo auf der Welt in der Minderheit und auf den Respekt der Mehrheit in der Ausübung ihrer Religion angewiesen. Das könnte eine Brücke zwischen den Kulturen sein, mit der man vielleicht Verständnis in Regionen und in Staaten weckt, die die Religionsfreiheit der Minderheiten heute noch mit Füßen treten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)

Verfolgung aufgrund der Religion ist leider bitterer Alltag. Im Iran sitzt der gesamte Führungskreis der Bahai-Religion im Gefängnis und wurde zu 20 Jahren Haft verurteilt – für nichts anderes als dafür, Mitglied der Bahai-Religion zu sein. Im Sudan sitzen gegenwärtig zwei südsudanesische Pastoren, Michael Yat und Peter Reith, ein und laufen Gefahr, dass an ihnen die Todesstrafe vollstreckt wird. Wofür? Michael Yat war bei einem Besuch im Sudan am 21. Dezember verhaftet worden, nachdem er am selben Tag in einer Kirche in Khartoum gepredigt hatte.

Sie haben Saudi-Arabien angesprochen. In SaudiArabien ist es ein Straftatbestand, eine Bibel zu besitzen oder an einem Gottesdienst christlicher Konfession teilzunehmen. Der Übertritt vom Islam zum Christentum oder zu einer anderen Religion wird mit dem Tode bestraft. Insofern finde ich es richtig, Herr Kauder, dass wir nicht nur die Panzerlieferung, die wir jetzt abgesagt haben, sondern jede Waffenlieferung an ein solches Verfolgerland einstellen. Ansonsten ist unsere Politik für verfolgte Christen und für Glaubensfreiheit leider nicht ganz so glaubwürdig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Aber es geht nicht nur um verfolgte Gläubige. Es geht auch um Verfolgung im Namen des Glaubens. Dabei geht es nicht nur um den IS oder islamistische Gruppierungen; das ist auch ein Problem innerhalb des Christentums. Wenn in Uganda unter Einfluss amerikanischer Evangelikaler versucht wird, jedes Reden über Homosexualität zu bestrafen, nachdem dort für homosexuelle Handlungen schon lebenslange Freiheitsstrafen im Strafrecht niedergelegt sind, dann ist das eine Verletzung der negativen Glaubensfreiheit der betroffenen Menschen. Wenn in Nigeria die katholische Bischofskonferenz einmütig den Staatspräsidenten dafür lobt, dass er ein Antihomosexuellengesetz unterzeichnet, dann ist das eine Verletzung der Glaubensfreiheit.

Aber wir sollten nicht nur auf andere zeigen – das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit unserer Politik als Europäer für Glaubensfreiheit – und so tun, als ob das alles nur außerhalb des europäischen Kontinents ein Problem sei. Auch in unserem Land wird diskutiert, ob Muslime Moscheen mit Minaretten bauen dürfen, und in der Schweiz wurde mit einem Plakat das Tragen von Schleiern durch Frauen denunziert und damit antimuslimische Hetze propagiert und die Religionsfreiheit der Muslime, die auch den Bau von Moscheen mit Minaretten umfasst, infrage gestellt.

Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Beck, achten Sie bitte auf die Zeit.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. – Ich finde es gut, dass der Deutsche Bundestag in der Begründung des Antrags feststellt, dass es auch zur Glaubensfreiheit gehört, entsprechend den Sitten und Gebräuchen einer Religionsgemeinschaft Gotteshäuser zu errichten.

Ich glaube, es ist ein guter Tag für die Religionsfreiheit, dass wir dies in diesem Hohen Hause einmütig nach außen tragen und damit vielleicht auch einen Beitrag zur Befriedung der Debatte in unserem Land leisten. Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


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