Rede zur Öffnung der Ehe #EheFürAlle
Am 18.6.2015 wurde im Parlament der Entwurf eines Gesetzes zur Abschaffung des Eheverbots für gleichgeschlechtliche Paare beraten.
Hier finden Sie meine Rede zum Anhören und Nachlesen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Zunächst vielen Dank, Frau Sütterlin-Waack, für Ihre eindrucksvolle Rede. Ich fand den Ton sehr angemessen, und ich fand auch, dass Sie deutlich gemacht haben und dass die ganze Debatte deutlich gemacht hat: Die Mehrheit für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ist zum Greifen nahe.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich bin jetzt der fünfte Redner in der Debatte. Es gab in der Debatte kein einziges substanzielles Argument, das gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare spricht.
Schauen wir einmal zurück. Die Union hat sich bei der Frage der Homosexualität traditionell immer schwergetan und hat dann doch dazugelernt. Jahrzehnte haben Sie gegen jede Reform des § 175 StGB – bis 1969 – und dann – bis 1994 – gegen die Streichung des § 175 StGB gekämpft. Jetzt sind Sie mit uns zusammen froh, dass Homosexuelle in Deutschland nicht mehr kriminalisiert werden.
Jahrzehnte haben Sie gegen die rechtliche Anerkennung, und zwar in jeder Form, gleichgeschlechtlicher Partnerschaften gekämpft. Jetzt ist Frau Merkel froh, dass Rot-Grün das Lebenspartnerschaftsgesetz beschlossen hatte. Damals hat sie dagegen gestimmt; Bayern, Sachsen und Thüringen, wo die Union allein regierte, haben Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben und verloren.
Ich bin sicher: Wenn wir das Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben haben werden, werden auch viele bei Ihnen froh sein, dass die Ehe gesellschaftlich kein Auslaufmodell ist und dass sogar viele Lesben und Schwule heiraten. Und das finde ich auch gut so, und das wäre versöhnlich für die Lesben und Schwulen in diesem Land.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Frau Sütterlin-Waack, Sie haben reklamiert, es bräuchte weiter Zeit und Respekt für diese Haltung und Forderung der Union. Ich bitte Sie, ein Stück weit zu respektieren, dass wir ein bisschen ungeduldig sind.
(Johannes Kahrs [SPD]: Ein bisschen?)
Im Juli 1990, fast exakt vor 25 Jahren, hat sich der Bundestag zum ersten Mal mit einem Antrag der Grünen zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auseinandergesetzt.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
25 Jahre sind wirklich genug Zeit an Debatte; genug ist genug. Wir brauchen jetzt Entscheidungen. Lassen Sie uns nicht noch eine Legislatur warten. Lassen Sie uns das dieses Jahr beschließen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie haben ja gerade gefragt: Wollen wir das jede Woche hier debattieren?
(Johannes Kahrs [SPD]: Gern!)
Ich habe keinen Debattenbedarf mehr. Ich habe Entscheidungsbedarf. Aber interessant ist ja doch: Von Woche zu Woche, von Debatte zu Debatte wird die Liste der Staaten, die inzwischen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben, immer länger. Letzte Woche haben wir debattiert, weil das irische Volk den gleichgeschlechtlichen Paaren das Eheschließungsrecht zugestanden hat. Diese Woche ist Mexiko dazugekommen. Der Oberste Gerichtshof von Mexiko hat in einem Urteil gesagt: Weil der Zweck der Eheschließung nicht die Fortpflanzung ist, gibt es keinen angemessenen Grund, dass die Partner bei einer Eheschließung heterosexuell sein müssen. Die Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau zuzulassen, ist nichts als Diskriminierung von Homosexuellen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich finde, prägnanter kann man es nicht formulieren. Ich bin sicher: Wenn wir uns nicht beeilen, werden uns das eines Tages das Bundesverfassungsgericht oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auch sagen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder der Heilige Stuhl! Wer weiß!)
Schauen Sie sich doch einmal die Länder an, die die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet haben. Es wird ja gesagt: Wer weiß, was dann alles passiert? Die Anzahl der Eheschließungen geht zurück. Es werden keine Kinder mehr geboren. – Frau Kramp-Karrenbauers Assoziationen will ich hier gar nicht anführen.
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Sie ist falsch zitiert worden! Das wissen Sie auch!)
Was ist in den Niederlanden in den letzten 14 Jahren passiert? Was ist in den letzten 12 Jahren in Belgien passiert? Was ist in den letzten 10 Jahren in Spanien passiert? Nichts Schlimmes ist passiert, außer dass ein paar schwule und lesbische Paare glücklicher sind, weil sie geheiratet haben und weil die Gesellschaft, in der sie leben, Ja zu ihnen gesagt hat. Da nachzuziehen, das sind wir, finde ich, den Homosexuellen angesichts unserer Geschichte schuldig.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
In keinem Land in Europa wurden Homosexuelle so intensiv verfolgt wie die Homosexuellen im 20. Jahrhundert in Deutschland. Ich finde, auch vor diesem Hintergrund haben wir allen Grund, zu sagen: Schwule und Lesben sind Bürger wie alle anderen auch. Sie genießen die gleichen Rechte, die gleiche Würde, und die Gesellschaft zollt ihnen den gleichen Respekt. Das bringen wir zum Ausdruck, indem wir das Eheverbot bei Gleichgeschlechtlichkeit endlich aufheben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)