„Sichere Herkunftsstaaten“ taugen nicht zur Kriminalitätsbekämpfung
Zu der Forderung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten, die Maghreb-Staaten zu „sicheren Herkunftsstaaten“ zu bestimmen, erklärt Volker Beck, Sprecher für Migrationspolitik:
„Dieser Gesetzentwurf gehört in die Mottenkiste, nicht auf die Tagesordnung des Bundesrates. Beschränkungen des Asylrechts taugen nicht zur Kriminalitätsbekämpfung. Das Instrument der sog. sicheren Herkunftsstaaten ermöglicht weder schnelle Abschiebungen, noch verhindert es die Begehung von Straftaten – an dieser schlichten Tatsache ändert sich auch nichts, ob das Gegenteil von einem CSU-Generalsekretär oder einem grünen Ministerpräsidenten behauptet wird. Das BAMF kann schon jetzt bestimmte Asylverfahren prioritär behandeln und zügig durchführen. Die Abschiebung abgelehnter Asylsuchender setzt aber die Aufnahmebereitschaft der Herkunftsstaaten voraus. Daran hapert es bei den Maghreb-Staaten unabhängig davon, ob Deutschland sie als sicher betrachtet oder nicht. Hierum sollten sich Bundesinnenministerium und Auswärtiges Amt mit Nachdruck kümmern.
Beschränkungen des Asylrechts schaffen nicht mehr Sicherheit in Deutschland, sondern befördern allenfalls das Abdriften der Betroffenen in kriminelle Strukturen. Menschen aus sog. sicheren Herkunftsstaaten dürfen während des Asylverfahrens und nach einer Ablehnung in Deutschland nicht arbeiten, keine Integrationskurse besuchen und keine Wohnung beziehen. Wer in unbequemen Massenunterkünften zum Nichtstun verdammt ist, kommt schneller auf schlechte Gedanken als diejenigen, die ihre Zeit sinnvoll für den Erwerb von Deutschkenntnissen, die Suche nach einem Ausbildungsplatz oder die Aufnahme einer Arbeit nutzen können. Das entschuldigt nicht, wenn jemand tatsächlich Straftaten begeht, zeigt aber, dass die Bestimmung „sicherer Herkunftsstaaten“ für die Sicherheit hierzulande eher kontraproduktiv als hilfreich ist.
Die Einstufung der Maghreb-Staaten missachtet das Grundgesetz und die EU-Verfahrensrichtlinie. Danach ist Voraussetzung, dass die Menschenrechtslage in sog. sicheren Herkunftsstaaten generell und durchgängig für alle potenziell von Verfolgung betroffenen Gruppen sicher ist. Das ist in den Maghreb-Staaten nicht der Fall: Die Todesstrafe wurde nicht abgeschafft, Menschenrechtsorganisationen beklagen Folter und Misshandlungen im Polizeigewahrsam, einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen unter Erwachsenen stehen unter Strafe, Journalisten, Oppositionspolitikerinnen und Menschenrechtsverteidiger werden eingeschüchtert und bedroht, Frauen und Mädchen sind weder rechtlich noch faktisch Männern und Jungen gleichgestellt. Das muss sogar die Bundesregierung einräumen. Von der Unterdrückung der Sahrauis in der von Marokko besetzten Westsahara ganz zu schweigen.“
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zu der menschenrechtlichen Lage in den Maghreb-Staaten wie in den anderen bereits zu sicheren Herkunftsstaaten bestimmten Staaten 12 Kleine Anfragen eingereicht. Ein Überblick über die Antworten der Bundesregierung findet sich hier: