Gedenktag für die Opfer des NS: Gedenken muss Konsequenzen haben

Am 27. Januar 2017 jährt sich zum 72. Mal die Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Seit
1996 wird dieses Datum als Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus gewürdigt. Volker Beck, Mitglied des Bundestages und Vorsitzender der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe, erklärt dazu:

„Nicht wer sich der schändlichen Kapitel unserer Geschichte erinnert, macht sich klein, sondern wer nicht in der Lage ist aus den Irrtümern der Geschichte des eigenen Landes zu lernen, verhält sich schändlich. Und er läuft Gefahr die Untaten erneut geschehen zu lassen.

Nein, die deutsche Erinnerungskultur ist nicht „dämlich“ (Björn Höcke) und NS-Gedenkstätten sind keine unbedeutenden Stätten deutscher Geschichte, wie uns die geschichtsrevisionistische AfD von Meuthen bis Höcke glauben machen möchte. 72 Jahre nach der Befreiung der Überlebenden ist die Erinnerung an die deutschen Verbrechen wichtiger denn je.

Sinti und Roma

Gedenken am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma, 27. Januar 2017.

Gedenken muss immer konkrete Konsequenzen im Hier und Jetzt haben:

Überlebende, die Hilfe benötigen müssen die notwendige psychosoziale Unterstützung erhalten. Gerade veröffentlichte Zahlen der israelischen Hilfsorganisation AMCHA belegen einen neuen Höchststand hilfesuchender
Überlebender: 19.946 Menschen wurde 2016 die psychosoziale Hilfe ermöglicht – doppelt so viele, wie noch vor zehn Jahren. Therapien müssen zunehmend zu Hause, in Altersheimen und Hospizen durchgeführt werden. Hier sollten bisherige Förderungen nachgebessert werden, etwa die Unterstützung von Transportkosten zu Hilfseinrichtungen, um immobilen Überlebenden einen würdevollen Lebensabend zu ermöglichen.

Immer noch bestehende Lücken bei Entschädigungen von NS-Unrecht müssen endlich geschlossen werden: Bis heute haben manche Menschen, die in deutschen Ghettos beschäftigt waren, keine Ansprüche auf Renten, da die im Rentenrecht übliche Wartezeit aufgrund der kürzeren Dauer der Existenz der Ghettos nicht erfüllt wurde. Besonders betroffen davon sind Sinti und Roma, die durch weitere Diskriminierung auch nach ihrer Befreiung keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen konnten. Angesichts ihres Alters muss hier schnell eine fraktionsübergreifende und gerechte Lösung gefunden werden.

Kriegsverbrecher dürfen keine Renten als Kriegsopfer erhalten. Die Rechtspraxis ist bei Kriegsopferrenten an SS-Mitglieder und an andere Kriegsopfer dem Gesetzgeber nicht gefolgt. Die Zusatzrenten wurden in vielen Fällen weitergezahlt. Wenn gleichzeitig NS-Täter in Form von Kriegsopferrenten zu Opfern stilisiert werden und die Bundesregierung keinerlei Handlungsbedarf in der Beseitigung dieser Ungerechtigkeit sieht, dann ist dies nicht zu akzeptieren. Schon geringfügige gesetzliche Korrekturen könnten die offenkundigen Mängel im Gesetz beseitigen.

Und wir sind es den Opfern der Shoa schuldig, jeder Form von Judenhass entgegenzutreten. Der Antisemitismus kommt heute oft im Gewande des Antizionismus daher. Die Ereignisse von Halle, Hamburg und Hildesheim, wo an Universitäten und Forschungseinrichtungen einseitige antiisraelische Propaganda im Schutz der Wissenschaftsfreiheit daherkommt, müssen als unwissenschaftliche, einseitige Delegitimierung des jüdischen und demokratischen Staates Israel benannt und zurückgewiesen werden. Wer jüdische Israelis oder israelische Einrichtungen boykottiert, weil sie jüdisch sind, handelt antisemitisch. Demnächst wird der zweite Bericht der Antisemitismus-Kommission des Bundestages vorgelegt. Besonders beunruhigend sind gerade veröffentlichte Zahlen des israelischen Diaspora-Ministeriums, wonach es einen Anstieg der Zahl antisemitischer Zwischenfälle in Deutschland um 200 Prozent gibt. Die von den Antisemitismus-Kommissionen des Bundestages eingebrachten Maßnahmenvorschläge auch in die Tat umzusetzen muss höchste Priorität haben. Das schulden wir den Opfern der Shoa.“


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