Europäisches Asylsystem: Einblicke in die Verhandlungsposition der Bundesregierung

Auf europäischer Ebene wird derzeit über einer grundlegende Neugestaltung des europäischen Flüchtlingsrechts verhandelt. Die bestehenden Richtlinien sollen teilweise durch Verordnungen ersetzt werden, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar Anwendung finden würden und den Mitgliedstaaten ihren jetzigen Spielraum bei der Ausgestaltung des Asylrechts nehmen würden. Damit würden zahlreiche asylrechtliche Vorschriften in Deutschland obsolet werden. Zu den Verordnungsvorschlägen der Kommission liegt nun ein Berichtsentwurf aus dem Europäischen Parlament vor, der unter anderem vom Deutschen Anwaltverein kommentiert wurde.

Frage 223 beleuchtet eine Passage des Kommissionsentwurfs, wonach die Asylgewährung bei Nachfluchtgründen (z.b. Konversion, Geburt eines unehelichen Kindes, politische Tätigkeit, Coming-Out) eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden soll. Die zuständige Berichterstatterin im Europäischen Parlament setzt sich dafür ein, die entsprechende Regelung zu streichen. Dagegen wendet sich die Bundesregierung in ihrer Antwort und stützt damit die Kommission. Volker Beck, Sprecher für Migrationspolitik, kommentiert diese Antwort wie folgt:

„Die Bundesregierung darf sich nicht querstellen, wenn das Europäische Parlament Christen, Lesben und Schwule oder Demokratinnen schützen will. Wer in Europa zum Christentum konvertiert, sein Coming-Out hat oder politisch aktiv wird, macht von seinen Grundrechten Gebrauch. Christen, politischer Gegner von autoritären Regimes, Lesben und Schwule müssen vor Repressalien in den Verfolgerstaaten, aus denen sie kommen, geschützt werden. Das muss unabhängig davon gelten, ob bereits ein erster Asylantrag abgelehnt wurde oder nicht.“

Frage 224 beleuchtet ein Problem des Kommissionsentwurf, der die Familieneinheit bei der Asylgewährung in Frage stellt. Die Bundesregierung wendet sich in ihrer Antwort gegen die Kommission. Volker Beck, Sprecher für Migrationspolitik, kommentiert die Antwort wie folgt:

„Familienschutz ist Menschenrechtsschutz. Das Europäische Parlament und der Rat sollten sich dafür einsetzen, dass Familienangehörigen anerkannter Flüchtlinge auch in Zukunft Familienasyl bekommen können, ohne ein langwieriges Verfahren durchlaufen zu müssen. Das ist sachgerecht, da sich Familienangehörige von verfolgten Personen häufig ebenfalls in einer latenten Gefahrensituation befinden. Es ist auch menschenrechtlich geboten, um die Familieneinheit nicht künstlich auseinanderzudividieren. Und es sorgt für weniger Bürokratie und Verwaltungsaufwand und liegt daher im Interesse der nationalen Asylbehörden.“

Frage 225 beleuchtet eine Passage des Kommissionsentwurfs, wonach subsidiär Schutzberechtigten (das sind derzeit die meisten syrischen Flüchtlinge) fortan anders als anerkannten Flüchtlingen nur noch „Kernleistungen“ der sozialen Sicherung zustehen sollen. Das würde bedeuten, dass subsidiär Schutzberechtigte in Zukunft in Deutschland anders als heute keine Leistungen nach dem SGB II, sondern nur noch Asylbewerberleistungen o.ä. beziehen könnten. Die Bundesregierung unterstützt laut ihrer Antwort auf die schriftliche Frage diese Position. Volker Beck, Sprecher für Migrationspolitik, kommentiert die Antwort wie folgt:

„Die Ungleichbehandlung von subsidiär Schutzberechtigten bei den Sozialleistungen ist mit der Menschenwürde nicht in Einklang zu bringen. Die Argumentation der Bundesregierung ist hanebüchen: Subsidiär Schutzberechtigte befinden sich nicht in einer maßgeblich anderen Situation als anerkannte Flüchtlinge. Das ist der Bundesregierung offenbar selbst bewusst, sonst würde sie nicht so herumlavieren. Die Bundesregierung hält die Ungleichbehandlung selbst für unvereinbar mit der Europäischen Sozialcharta und müsste daher subsidiär Schutzberechtigten aus anderen Mitgliedstaaten des Europarats ohnehin höhere Leistungen zahlen. Das könnte etwa Armenier, Aserbaidschaner und Tschetschenen betreffen.“
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